Großerlach/Backnang/Schorndorf. Die Passanten, die in der Fußgängerzone im Herzen von Schorndorf unterwegs waren, staunten nicht schlecht, als im März 1999 ein türkisblauer Transporter auf dem Kirchplatz Halt machte. Schiebetüren wurden aufgeschoben, Tische und Sitzbänke ausgeladen und vor dem Transporter aufgestellt, ein großer Sonnenschirm vervollständigte den Aufbau. Aus der Küchenzeile im Wageninnenraum wurden warme Mahlzeiten und Getränke an bedürftige Menschen gereicht: Die mobile Tagesstätte der Erlacher Höhe, das sogenannte EH-Mobil, war geboren. Das gleiche Bild bot sich wenige Tage später auch in der Backnanger Innenstadt, auf dem Bleichwiesenparkplatz.
Der blaue Transporter ist längst Geschichte. Das EH-Mobil ist mittlerweile in den Räumen kirchlicher Gemeindehäuser im Rems-Murr-Kreis zu Gast, in fünf verschiedenen Städten und Gemeinden. Das 20-jährige Bestehen wird am Montag, 14. Oktober um 12 Uhr im Martin-Luther-Haus in Schorndorf gefeiert, Oberbürgermeister Matthias Klopfer wird ein Grußwort sprechen. In Backnang gratulieren am Dienstag, 22. Oktober um 12 Uhr im Gemeindehaus „Am Kalten Wasser“ Landrat Dr. Richard Sigel und Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper zum Jubiläum.
Probleme und Essen teilen
„Gemeinschaft erleben und genießen, Probleme und Essen teilen, beisammen sein“, so beschreibt ein Stammgast das EH-Mobil. Die mobile Tagesstätte ist ein niederschwelliges Hilfsangebot, das sozial benachteiligten Menschen ermöglicht, ihre existenziellen Grundbedürfnisse zu decken. In einem geschützten Rahmen können Besucher ein vollwertiges Mittagessen genießen, Kontakte knüpfen, Zeitung lesen oder sich mit frischer Kleidung versorgen. Wer möchte, kann sich auf Wunsch von Sozialarbeitern beraten lassen. „Wir erreichen über das unverbindliche Essens- und Aufenthaltsangebot des EH-Mobils viele Menschen, die andernfalls aus Angst und persönlicher Scham nicht zu Beratungsstellen und Behörden zur Sicherung ihrer Ansprüche gehen würden“, so Anton Heiser, Leiter der Abteilung Ambulante Hilfen Rems-Murr der Erlacher Höhe. Die mobile Tagesstätte bringt wohnungslose oder von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bedrohte Menschen, Alleinerziehende, einkommensarme Rentnerinnen und Rentner, einsame, langzeitarbeitslose, suchtkranke und überschuldete Menschen an einen Tisch.
Getragen von vielen Schultern
Die Kooperation mit den Kirchengemeinden vor Ort ist die wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des mobilen Gedankens. Kirchengemeinden in Schorndorf und Backnang, Waiblingen, Kernen-Rommelshausen und Murrhardt stellen ihre Räume für das EH-Mobil zur Verfügung, spenden Getränke, Kuchen und Blumen. Viele Gemeindemitglieder engagieren sich zusammen mit weiteren Ehrenamtlichen bei der Gestaltung des Mittagstischs und unterstützen Freizeitangebote für bedürftige Menschen. Für Wolfgang Sartorius, Vorstand der Erlacher Höhe, ist das EH-Mobil ein „beispielgebendes soziales Projekt, weil es mit breiter Beteiligung der Bürgerschaft von vielen Schultern getragen wird.“
Um Menschen in bestehende Hilfestrukturen einzubinden, arbeitet das EH-Mobil eng mit den sozialen Institutionen und Beratungsstellen vor Ort zusammen. Oftmals übernimmt die mobile Tagesstätte eine Wegweiser- und Koordinationsfunktion, um Betroffene in die richtige Beratungsstelle einzubinden. Auch mit den örtlichen Tafelläden, Sozialkaufhäusern und anderen Hilfen für sozial benachteiligte Menschen ist das EH-Mobil vernetzt.
Im vergangenen Jahr waren 7688 Menschen an insgesamt 178 Ausgabetagen beim EH-Mobil zu Gast. Allein in Schorndorf wurden 1580 Essensgäste erreicht, in Backnang 1277, in Rommelshausen 2651 in Waiblingen 2180. Weit über 50 Ehrenamtliche unterstützen das Hilfsangebot.
Die fünf Stationen des EH-Mobils
Schorndorf: In Kooperation mit der evangelischen Gesamtkirchengemeinde im Martin-Luther-Haus, Friedrich-Fischer-Str. 1, jeden Montag 12.00–14.00 Uhr. Verantwortliche Mitarbeiterin: Claudia Schwab, Dipl. Sozialpädagogin (FH).
Backnang: In Kooperation mit der evangelischen Gesamtkirchengemeinde und der Altpietistischen Gemeinde im Gemeindehaus „Am kalten Wasser“, Eduard-Breuninger-Straße 47,
jeden Dienstag 11.45–13.30 Uhr. Verantwortlicher Mitarbeiter: Benjamin Bursztyn,
Dipl. Sozialpädagoge.
Waiblingen: In Kooperation mit der evangelisch-methodistischen Kirche im Gemeindehaus Bismarkstr. 1, jeden Mittwoch 12.00–13.30 Uhr. Verantwortliche Mitarbeiterin: Petra Brinckmann,
Dipl. Sozialarbeiterin (BA)/ Dipl. Sozialwirt (FH)
Kernen-Rommelshausen: In Kooperation mit vier Kirchengemeinden (ev., evangelisch-methodistische Kirche, kath. und dem Christusbund/landeskirchliche Gemeinschaft) in dem Gemeindehaus der evangelisch-methodistischen Kirche, Kurze Straße 9, jeden Donnerstag 12.30–14.30 Uhr. Verantwortliche Mitarbeiterin: Claudia Schwab, Dipl. Sozialpädagogin (FH).
Murrhardt: In Kooperation mit der katholischen Kirchengemeinde St. Maria im Begegnungscafe, Fornsbacher Straße 3, jeden letzten Donnerstag im Monat 14.30–16.00 Uhr. Verantwortlicher Mitarbeiter: Benjamin Bursztyn, Dipl. Sozialpädagoge (FH).
Pressespiegel
Stuttgarter Zeitung
Zum Nachtisch gibt's eine Portion Hilfe
Schorndorfer Zeitung
50 000 Mahlzeiten für Hilfsbedürftige
Backnanger Kreiszeitung
Viel Herzenswärme am Kalten Wasser
Informationsdienst Diakonie Württemberg
Mobile Tagesstätte EH-Mobil feiert 20-jähriges Bestehen